Ich habe lange hin und her überlegt, ob ich diesen Post überhaupt
schreiben soll, da er meines Erachtens nach nicht unbedingt auf einen
Friede-Freude-Eierkuchen-Blog passt und zum anderen auch irgendwie sehr
privat ist. Andererseits beschäftigt es mich jetzt schon so lange, dass
ich es nun doch schreibe. Auch wenn ein Freund von mir zuletzt dazu
sagte: "Nadine, überlege es dir gut. Du weißt ja, das Internet vergisst
nie!". Recht hat er damit, aber vielleicht ist es auch genau richtig,
dass das, was ich sagen möchte, nicht vergessen wird.
Vielleicht
kann es sich der eine oder andere Leser meines Blogs bereits denken,
aber für die, die es nicht wissen, ich bin alleinerziehende Mama eines
dreieinhalbjährigen Sohnes. Allerdings bin ich nicht nur
alleinerziehend, sondern der Vater vom Zwerg hat sich entschieden, den
Kontakt zu ihm abzubrechen. Um es klar zu sagen, ich bin deshalb
wahnsinnig traurig, wütend und enttäuscht, aber ich verurteile ihn
nicht. Auch wenn ich seine Gründe dafür nicht nachvollziehen kann,
glaube ich doch, dass er sich einfach nicht anders zu helfen wusste.
Ich
glaube vielmehr, dass die wenigsten Väter aus purem Desinteresse am
Kind den Kontakt meiden oder abbrechen, sondern viele tun es aus
schierer Verzweiflung. Weil sie sich nicht bereit fühlen, Vater zu sein,
weil sie Angst haben vor der Verantwortung, weil sie sich eine heile
Familie gewünscht hatten, weil sie mit der Mutter des Kindes einfach
nicht mehr umgehen können. Gründe gibt es wohl eben so viele und
unterschiedliche wie es Väter gibt. Jeder hat seinen ganz eigenen und
eben die wenigsten haben wirklich einfach "keinen Bock auf ihr Kind".
(Sicher gibt es Gründe, warum es manchmal tatsächlich für Mutter oder
Vater besser ist, auf den Kontakt zu verzichten, beispielsweise immer
dann, wenn Gewalt im Spiel war oder ist. Aber die will ich mal außen vor
lassen.)
Gerade in letzter Zeit gibt es oft
Situationen, wo der Zwerg seinen Papa erwähnt. Obwohl die beiden sich
seit bald anderthalb Jahren nicht mehr gesehen haben. Er fragt meist
nicht nach ihm, sondern erwähnt ihn eher beiläufig. Z.B. fragte ich ihn
im Urlaub, wem wir ein Mitbringsel kaufen wollen. Erst kamen die
Großeltern, dann andere Teile der Familie und schlussendlich, wie
selbstverständlich, sein Papa. Anfangs habe ich mich oft gefragt, wie
man als Mutter mit solchen Momenten umgehen soll. Doch ich halte nichts
davon, ihm die Welt schön zu reden oder ihn zu belügen. Aber man muss
und darf einem Kind auch nicht mehr zumuten, als es verstehen kann.
Sprich, es wird nur das beantwortet, wonach gefragt wird. Es wird nichts beschönigt, aber - und das ist ganz wichtig - auch nichts schlecht geredet.
Ich war von Anfang an ehrlich zu meinem Sohn, wenn das Thema zur
Sprache kam. Ich erklärte ihm, dass Papa und Mama viel gestritten hätten
und sein Papa deshalb entschieden hätte, es wäre besser, nicht mehr zu
kommen. Das alles versuche ich ihm wertfrei mitzuteilen.
Dennoch
gebe ich ihm die Möglichkeit jeder Zeit über seinen Papa zu reden. Ich
versuche, ihm zu zeigen, dass ich ihn verstehe, wenn er traurig ist,
weil es mir nicht anders geht. Die Gründe für unsere jeweilige
Traurigkeit über die Situation mögen andere sein, aber wenn er mir sagt,
er ist traurig, dass Papa nicht mehr kommt, sage ich ihm schlicht: "Ich
weiß, mein Schatz, das bin ich auch.".
Viele versuchen, es dem
Kind schön zu reden, von wegen Papa muss eben so viel arbeiten, oder,
oder.. Das ist falsch. Denn Kinder haben, wie der Papa des Zwerges
selbst so schön sagte, ganz feine Antennen und spüren, ob etwas richtig
oder falsch ist. Wenn wir sie also belügen, auch wenn wir es tun, um sie
schützen, erreichen wir unter Umständen nur das Gegenteil. Wir
erschüttern nicht nur ihr Vertrauen in ihren Vater, sondern möglicher
Weise auch das in uns.
In vielen Augenblicken sitze ich
hier und bin ratlos, wie ich auf Dauer mit all dem umgehen soll, ob
mein Sohn damit zurechtkommen wird, mir geht dann dieses und jenes durch
den Kopf. Aber oft macht man sich als Mutter auch zu viele Gedanken.
Kinder sind stark und oft viel stärker, als wir es ihnen zutrauen. Diese
Erkenntnis habe ich für mich, durch ein tolles Gespräch mit einer
Freundin der Familie, die beim Jugendamt arbeitet und viel mit solchen
Konflikten zutun hatte, absolut verinnerlicht.
Trotzdem
saß und sitze ich oft bis mitten in die Nacht vorm Rechner und suche
nach Antworten auf meine Fragen. Weil sie mich nicht loslassen, weil sie
mich um den Schlaf bringen, weil ich meinem Sohn zwar nicht jeden Stein
aus dem Weg räumen möchte, aber ihm zumindest das Material an die Hand
geben möchte, um notwendige Brücken darüber hinweg bauen zu können.
Was
man dann leider alles so in Foren lesen muss, ist - gelinde gesagt -
zum Kotzen!! Väter, die Hasstiraden über Mütter ablassen, Mütter, die
das Gleiche mit den Vätern tun. Da tauchen Fragen auf wie "Welche Gründe
gibt es, um das Gemeinsame Sorgerecht zu verhindern"? Sorry, aber da
fasse ich mir an den Kopf. Muss man sich als Mutter echt darauf
einlassen, sich Gründe zu suchen? Wenn die Gründe, die man selbst
vorweisen kann, nicht ausreichen, dann hat der Vater das Gemeinsame
Sorgerecht durchaus verdient.
Unsere Kinder sind nicht unser Besitz
und erst recht nicht unser Eigentum. Ich kann das Argument "aber ich
habe ihn 9 Monate in mir getragen" nicht mehr hören. Ganz ehrlich, ohne
den Beitrag des Vaters hätte man diese neun Monate gar nicht erleben
dürfen. Also, was soll der Mist?!
Und genau das ist der entscheidende Punkt. Wir sind die Eltern, Vater UND Mutter. Wir sind die Erwachsenen. Unser Kind braucht uns beide.
Wir sollten deshalb in der Lage sein, uns zusammenzureißen. Wir dürfen
nicht unsere Schuld auf den Schultern der Kinder abladen. Womit ich
durchaus beide Elternteile meine. Ein Vater sollte, egal wie sehr er die
Mutter seines Kindes vielleicht verachtet, seine Gefühle zurückstellen
können. Ebenso sollte die Mutter dies können. Zum einen dann, wenn der
Vater bereits gegangen ist, aber erst recht, sollte er (noch) am Leben
des Kindes teilhaben. Wir müssen uns als Eltern nicht gegenseitig das
Leben schwer machen, sondern wie Erwachsene, die wir sind, handeln und das Wohl des Kindes in den Vordergrund stellen.
Bei
Facebook und in anderen Netzwerken kursieren so viele tolle Filmchen zu
dem Thema und fast alle haben am Ende als Kernaussage, dass wir unseren
Kindern mit unserem Fehlverhalten in Zukunft Schwierigkeiten bereiten
könnten. Es könnte später Schwierigkeiten haben, richtig zu vertrauen,
eigene gesunde Beziehungen aufzubauen, Schuldgefühle entwickeln, weil es
beide Elternteile gleichermaßen liebt, pi pa po.. Das alles mag richtig
und auch wichtig sein...
Aber was ist mit dem JETZT?? Mit diesem
einen winzigen Augenblick, in dem mich mein Sohn mit unendlich traurigen
Augen ansieht und nur sagt "Papa kommt nicht mehr,", nicht mehr und
nicht weniger, und doch sagt allein sein Blick alles. Er zeigt, wie sehr
es ihn JETZT quält. Ohne bereits irgendwelche großen Langzeitschäden
davongetragen zu haben. Er leidet JETZT. In diesem Moment.
Und
genau deshalb ist es an uns, ob Mutter, ob Vater, ob Verwandter oder
Freund ... unseren Kindern das zu geben, was sie brauchen - beide
Elternteile. Die Möglichkeit beide zu lieben, so wie es in einer
Eltern-Kind-Beziehung immer ist und immer sein wird. Egal wie sehr uns
unsere Eltern manchmal enttäuschen, wir lieben sie tief in uns drinnen
dennoch und sehnen uns nach ihrer Aufmerksamkeit und ihrer Liebe. Wir müssen unseren Kindern ermöglichen, den eigenen Eltern vorurteilsfrei begegnen zu können.
Ohne, dass dem Kind bereits von irgendeiner Seite etwas Negatives
eingeimpft wurde. Ebenso sollten wir uns unsere eigenen Fehler
eingestehen können. Denn nicht selten haben beide Elternteile welche
gemacht. Man sollte immer auch versuchen, alles aus der Sicht des
anderen zu betrachten, auch wenn es noch so schwerfallen mag.
Wir
alle haben nur einen Vater und nur eine Mutter. Es ist an uns Vätern
und Müttern das Beste aus der Beziehung zu unseren Kindern rauszuholen.
Wir sollten nicht unsere Zeit damit vergeuden, den Anderen schlecht zu
machen, uns Gründe einfallen zu lassen, damit man das Sorgerecht nicht
teilen muss, uns Ausreden auszudenken, damit man am Besten den Kontakt
unterbinden kann. Es geht um die Gefühle unserer Kinder - um ihre Liebe, ihr Vertrauen, ihre Sorgen, ihre Ängste.
Wir sollten unsere Zeit lieber darin investieren, sie für Beziehungen,
egal welcher Art, aber ganz besonders für die zu ihren Eltern, zu
stärken, ihnen Kraft und Mut zu geben für ihre Zukunft, damit sie
irgendwann einmal stark genug sind, um sich eine eigene Meinung zu
bilden, um bessere Väter und Mütter zu sein. Wir müssen ihnen Selbstvertrauen mitgeben und sie selbst bestehen nunmal zu 50 % aus Vater und zu 50 % aus Mutter.
Den
meisten, die so denken, wie ich es beschrieben habe, werden meine
Aussagen egal sein. Sie werden weitermachen wie bisher. Aber sollte ich
damit auch nur eine einzige Person zum umdenken bewegen, gleich ob
Mutter oder Vater, habe ich mehr damit erreicht, als ich zu hoffen wage.
Ich
für meinen Teil, werde jedenfalls alles daran setzen, meinem Sohn genau
dieses vorurteilslose Umfeld zu bieten, in dem er sowohl mich lieben
darf, aber ganz genauso auch seinen Vater. Egal, ob er anwesend ist oder
eben nicht.
So, genug geschrieben. Ich verschwinde jetzt ins Bett. Mal schauen, ob ich heute Nacht besser schlafen kann.
Nachtrag: Falls sich jemand austauschen möchte oder Fragen hat, weil er oder sie in einer ähnlichen Situation steckt, kann mir gerne bei Facebook schreiben.
Wow, meinen allergrößten Respekt für diesen tollen Post! Ich selbst bin zwar nie in der Situation gewesen, wie du oder dein Sohnemann es gerade sind, aber ich habe in meinem Umfeld genau das erlebt, was du beschreibst - dieses Einimpfen "Der andere ist total doof und böse!", schrecklich. Ich finde deine Sicht sehr gut und richtig, ziehe meinen imaginären Hut und verbeuge mich ganz tief vor deiner Stärke!
AntwortenLöschenVielen Dank!! Auch wenn ich es nicht als Stärke empfinde, sondern als Selbstverständlichkeit. Leider sehen das zu wenige Elternteile so..
LöschenIch finde deinen Post klasse, genau wie deine Anischt! Auch ich finde es sehr schade, wenn ein Elternteil kein Interesse an seinem Kind hat, denn man tut damit nicht nur dem Elternteil weh, sonder viel mehr dem Kind. Leider scheint das vielen nicht klar zu sein.
AntwortenLöschenIch selbst habe eine 6 jährige Tochter und kann sehr gut nachempfinden wie schwer es ist manche Fragen zu beantworten und sich im nachhinein zu fragen "War das jetzt die richtige Antwort oder hätte ich es anders sagen sollen.". Deine Einstellung und wie du damit umgehst deinem Sohn gegenüber finde ich einfach nur klasse, ich denke ich würde es genau so machen.
Kinder sind stärker als wir oft denken, das kann ich bestätigen, vielleicht weil sie einen anderen Blickwinkel auf die Dinge haben als wir Großen ;-). Wir müssen dafür sorgen, dass sie stark bleiben und ihren Weg gehen können.
Bei Facebook habe ich mal diesen Spruch gelesen:
Ich bin keine perfekte Mama... aber ich bin eine Mama, die versucht, für ihr Kind alles so perfekt wie möglich zu machen.
Dieser Spruch ist einfach nur wunderbar und ist es nicht genau das was wir versuchen ;-)?
Es war richtig, dass du den Post veröffentlicht hast und es dir von der Seele geschrieben hast, manchmal muss das raus. Ich hoffe du kannst nun besser schlafen, ich denke es gibt viele die in diesem Bezug deiner Meinung sind! Und ich hoffe vor allem, dass du mehr als nur einen Menschen zum umdenken bewegen kannst, ich hoffe es für die Kinder dahinter!
Ganz liebe Grüße
Svenja
Danke! Genau das meinte ich, man versucht mit solch einem Verhalten zwar in erster Linie den anderen Elternteil zu treffen, erreicht aber oft nur, dass das Kind in der Situation leidtragend ist.
LöschenDer Spruch ist schön, impliziert für mich aber zu sehr, dass ich meinem Kind versuche eine heile Welt zu bauen. Und aus eigener Erfahrung weiß ich zu gut, dass es die nicht gibt. Trotzdem sollte man Kinder niemals desillusionieren. Ihre Phantasie, ihre Lebensfreude, ihr unerschöpflicher Glaube an das Gute sind ihr wahrer Reichtum. Vieles davon wird ihnen früh genug von allein genommen.
Ich hoffe wirklich, dass der eine oder die andere daraus zumindest einen kleinen Denkanstoss ziehen kann oder wird. Aber leider sind die Eltern, die in solch einer Situation stecken, oft wie festgefahren und schaffen es kaum über den Tellerrand zu schauen. Sicher gibt es viele, die ähnlich denken, aber eben leider immer noch viel zu viele, die es nicht tun.
Liebe Grüße
Sehr interessant und tiefsinnig. Du klingst sehr traurig und mitgenommen von der Situation in der du dich anscheinend befindest.
AntwortenLöschenDenkst du nicht, es gibt eine Möglichkeit den Vater des Kleinen wieder in eurem Leben zu integrieren? Auch wenn er sich offensichtlich
zurückgezogen hat, gibt es doch sicher die Möglichkeit die aktuelle Situation zu verbessern. Ruf ihn an, besuch ihn, oder schreib ihn einen
Brief. Deinen Worten entnehme ich, dass du deinerseits keinen Groll gegenüber dem Vater hegst, sondern ihn sogar auf eine gewisse Art und Weise Verständnis entgegen bringst. Ich hoffe sehr für euch alle, dass ihr einen gemeinsamen Weg findet. Der Kleine hätte es sicher verdient. Er kann leider nichts an der Situation ändern, außer - wie du so schön geschrieben hast - stark zu sein. Stärker als man oftmals vermutet...
Traurig bin ich sicher über die Situation, aber nicht direkt meinetwegen, sondern eben wegen des Zwerges. Ich bin erwachsen, ich kann mit meinen Gefühlen umgehen, aber die Kinder, vor allem, wenn sie noch jung sind, aber auch später, wissen nicht wohin mit ihrer Verzweiflung, Wut, Angst oder Traurigkeit.
LöschenWas unsere aktuelle Lage angeht, so glaube ich nicht, dass sie sich momentan verändern lässt. Sein Vater hat doch sehr deutlich gemacht, dass er daran nichts ändern wird. Wir hatten ein paar Mal versucht, ihn zum umdenken zu bewegen. Doch eine Mediatorin, bei der ich im Nachhinein Rat suchte, beschrieb es ganz treffend... Er hängt wie eine Schallplatte, die einen Sprung hat, fest und schafft es nicht über diesen Punkt hinauszukommen.
Ich hoffe einfach, dass die Zeit dazu führt, dass er sich eines Besseren besinnt und werde sicher auch immer mal wieder nachhaken. Aber bis dahin werde ich einfach versuchen, unseren Sohn so gut aufzufangen, wie eben möglich.
♡♡♡
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