Nachdem ich, abgesehen vom Blog, auch sonst sehr viel schreibe, möchte ich Euch heute mal daran teilhaben lassen. Deshalb gibt es heute eine kleine Kurzgeschichte von mir, die ich vor einigen Jahren geschrieben hatte.
Eine Weihnachtsgeschichte
Es war
einmal ein kleiner Junge. Felix war sein Name. Er hatte alles, was
einen kleinen Jungen besonders und einzigartig macht. Sein Haar war
goldblond, seine Augen grün wie Smaragde, sein Charakter war gütig
und sein Herz voller Wärme.
Doch er
war noch sehr klein und er war voller Angst. Es war Heiligabend, als
er in einem kleinen Haufen Schnee mitten im Wald erwachte. Seine
Rücken tat ihm weh, als hätte er riesigen Muskelkater. Er fühlte
mit seinen kleinen Händen nach, weil es sich doch sehr merkwürdig
anfühlte. Als er etwas weiches, fedriges berührte, erschrak er und
sich windend versuchte er, sich umzudrehen, um herauszubekommen, was hinter
ihm war. Doch es war, als würde sich das weiche Dinge hinter ihm
verstecken, denn egal wie er sich auch drehte, er sah es immer nur
aus dem Augenwinkel. Also strengte er sich noch mehr an und drehte
seinen Hals bis er es endlich sah.Es war kein Tier und auch sonst kein Lebewesen, wovor er sich fürchtete. Er war es selbst. Vielmehr ein Teil von ihm, denn wie durch ein Wunder waren ihm über Nacht Flügel gewachsen. Weiße, kleine Engelsflügel, die - wie durch tausende kleine Sterne erleuchtet - strahlten.
Felix
verstand zwar nicht, was es mit den Flügel auf sich hatte, doch er
probierte sofort aus, wie sie funktionierten. Anfangs tat er sich
schwer, sie überhaupt zu bewegen, doch mit jedem weiteren Versuch,
klappte es besser. Und schließlich schlugen seine Flügel so
kraftvoll, dass er sich langsam aus dem kleinen Schneeberg unter ihm
erhob und mehrere Zentimeter über der Erde schwebte. Daher kam also
der Muskelkater in seinem Rücken. Er besaß seine neuen
Flügel noch nicht lange und hatte eine weite Reise hinter sich.
Wie er
so darüber nachdachte, fiel ihm erst wieder ein, wo er war. Doch im
Grunde wusste er genau das eben nicht. Er hatte keine Ahnung, wo er
sich gerade befand. Es war dunkel, kalt und Schnee rieselte langsam
auf ihn herab. Um ihn herum befanden sich jede Menge Bäume, die
aussahen, als könnten sie furchtbar pieken und seine besten Freunde,
die Sterne, schienen in nicht greifbare Ferne gerückt zu sein.
Was war
aus seiner kleinen, luftigen Wolke geworden, auf der er Abend für
Abend von den Sternen in den Schlaf gesungen wurde? Wo war sie hin?
Wo war er hier? Seine Angst wurde immer größer und er begann sich
einsam zu fühlen. Ein paar Mal drehte er sich um seine eigene Achse,
schlug zwei-, dreimal mit seinen Flügeln und beschloss dann, dass er
hier nicht bleiben konnte.
Er wurde
doch gebraucht. Der Weihnachtsmann brauchte ihn, um all den Kindern
auf der Welt ein schönes Weihnachtsfest zu bescheren. Er war der
kleine Engel, der das Strahlen in die Kinderaugen brachte, wenn sie
ihre Geschenke auspackten. Er brachte die Wärme in ihre Herzen, wenn
sie in die liebevollen Augen ihrer Eltern schauten. Und er schenkte den
Kindern Liebe, die weder das eine, noch das andere besaßen.
Warum
also war er hier? Es musste einen Grund dafür geben und den
galt es herauszufinden. Also breitete er seine Flügel aus und erhob
sich über die Baumwipfel, um eine bessere Sicht zu haben.
Weit
oben über den Bäumen sah er es dann plötzlich. Ein warmes Glühen
in weiter, weiter Ferne. Wie magisch schien es ihn anzuziehen und so
machte er sich auf den Weg dorthin, nicht ahnend, was dort auf ihn
zukommen würde. Doch er war zu einsam, um noch länger in Furcht zu
erstarren. Er wollte zurück zu seinen Freunden, wollte nicht mehr
allein in einer fremden Welt sein. Mehrere hunderte Kilometer flog er
und das Leuchten in der Ferne kam immer näher. Als es schließlich
direkt unter ihm war, hörten seine Flügel auf zu schlagen und er
sank langsam herab.
Vor ihm
stand ein Haus und es sah aus, als wäre es voller Liebe und Wärme.
Der Schornstein rauchte und die Fenster waren hell erleuchtet. Auf
Zehenspitzen schlich er langsam an das erste Fenster heran, doch er
konnte nichts Ungewöhnliches entdecken. Im zweiten Fenster dann, sah
er einen Baum stehen, der aussah, wie die Bäume des Ortes, an dem er
wach geworden war. Nur das dieser Baum wundervoll geschmückt war.
Viele kleine Lichter ließen ihn funkeln und rings um den Baum saßen
Menschen. Eine glückliche Familie...
Doch ein
Mensch dieser Familie, schien ihm etwas ganz Besonderes zu sein. Er
hatte soviel Ähnlichkeit mit Felix selbst, dass er schon fast
dachte, er würde in einen Spiegel sehen. Aber der Mensch, den er
durch das Fenster sah, war älter als er. Und er hatte dunkle
Haare. Dennoch fühlte er sich ihm verbunden, wie noch nie einem
Menschen zuvor. Warum das so war, konnte er sich nicht erklären. Er wusste nur, dass er es unbedingt herausfinden wollte.
Er flog
um das Haus herum und suchte eine Möglichkeit, in das Haus zu kommen. Als
er ein offenes Fenster entdeckte, dachte er nicht lange darüber nach
und flog einfach hinein. Der Raum, in welchem er gelandet war, war
dunkel, es gab eine Tür, die nur leicht angelehnt war und
dahinter schien sanftes Licht zu flackern. Vorsichtig drückte er die
Tür auf und flog hindurch. Auf der anderen Seite saßen sie alle.
Die Menschen, die er eben noch durch das Fenster beobachtet hatte.
Auch dieser eine, besondere Mensch. Ohne Scheu und ohne Angst, flog
er direkt vor den Baum und damit in die Mitte all dieser Menschen.
Sanft sank er auf den Boden herab und machte einen kleinen Knicks, um
sich zu verbeugen. Schließlich war Felix ein höflicher Junge und
er wollte diese Leute nicht einfach so überraschen, ohne sich
vorgestellt zu haben.
„Hallo.
Mein Name ist Felix und ich bin hier, um Euch kennenzulernen“,
sagte er. Doch die Menschen sahen durch ihn hindurch. Es war, als
wäre er Luft. Sie bemerkten ihn einfach nicht, egal wie viel Mühe
er sich gab. Dann allerdings hörte er vor der Tür, durch die er eben noch
geflogen war, leise Schritte und im Türrahmen tauchte ein kleines
Mädchen auf. Ihre Haare waren ebenfalls dunkler als seine eigenen und
sie schien müde zu sein, denn immer wieder rieb sie sich verschlafen
die Augen.
„Mama“,
sagte sie vorsichtig und ihre Mutter reagierte sofort: „Carli,
du bist ja wach.“ Carli
lief zu ihrer Mutter und kuschelte sich an sie. Und dann sah sie ihn.
Sie entdeckte Felix als Einzige. Er hatte sich mittlerweile ein
wenig hinter den Baum zurückgezogen und nun sah sie ihn an und kam
zu ihm.
Still
und stumm standen sie voreinander. Ihre Münder bewegten sich nicht
und doch verstand er, was sie ihm sagen wollte. Sie sagte, sie würde
sich freuen, ihn endlich kennenzulernen. Seit Monaten würden sie
sich alle schon auf diesen Augenblick freuen. Aber noch war es nicht
soweit, gab sie ihm zu verstehen. Außerdem wäre er hier falsch. Es
war nicht der Ort, wo er zuerst hin musste. Der lag woanders.
Ob sie
ihm sagen könne, wo sich dieser Ort befand, wollte Felix von ihr
wissen, doch sie schüttelte zaghaft den Kopf. Das müsse er selbst
herausfinden. Wenn er sich noch jetzt auf den Weg machen würde,
bekäme er unterwegs auf seiner Suche ein wenig Hilfe. Das versprach sie ihm. Felix
dankte Carli und verabschiedete sich. Er wollte gerade Lebe wohl
sagen, als sie meinte, sie würden sich schon bald wiedersehen.
Er nahm
den gleichen Weg aus dem Haus heraus, wie er reingekommen war.
Draußen fühlte er schließlich wieder diese Einsamkeit, die bis
dahin komplett verschwunden war. Im Gegenteil, er hatte sich Zuhause
gefühlt zwischen all diesen Menschen, von denen ihn einzig Carli
gesehen hatte. Wer ihn sah war für ihn trotzdem nicht wichtig, er wusste einfach intuitiv,
dass er dort willkommen war.
Aber es
nützte nichts. Er musste sich erneut auf den Weg machen. Doch wohin
sollte er fliegen? Wieder erhob er sich weit nach oben in die Lüfte
und erneut sah er in der Ferne dieses warme Glühen. Er machte sich
also wieder auf den Weg und flog los.
Kurz
bevor er ankam, bekam er tatsächlich Hilfe, wie Carli prophezeit
hatte. Während er einsam vor sich hinflog, tauchte eine kleine Elfe
neben ihm auf. Sie schien ihm den Weg zeigen zu wollen und flog
voran. Jeder ihrer Flügelschläge erzeugte goldenen Staub, der auf
ihn niederregnete. Mit jedem Staubkorn schien er mehr und mehr zu
verstehen, was seit seinem Erwachen vor ein paar Stunden mit ihm
geschehen war. Er wusste jetzt, wo er hingehörte. Er wusste, was seine
Aufgabe war und mit einem Mal war all seine Angst, all seine
Einsamkeit verschwunden. Schließlich kamen Felix und seine kleine
Elfe an ihrem Ziel an.
Noch
einmal fand er sich vor einem Fenster wieder und als er durch dieses
Fenster sah, sah er erneut eine Familie, die um einen geschmückten
Baum saß. Diesmal waren es weniger Menschen. Nur vier Stück an der
Zahl und auch hier hatte er das Gefühl, magisch angezogen zu
werden.
Der ältere Herr, der auf der Couch saß, schien ihm
vertraut. Noch vertrauter waren ihm jedoch der Mann mit dem Bart, der
in so einem merkwürdigen Stuhl saß, und die Frau, die am anderen
Ende der Couch saß. Am
Vertrautesten jedoch war ihm die junge Frau, die unter dem Baum kniete und
nach und nach die Geschenke verteilte.
Sie sah ihm sehr ähnlich,
wenn auch ihr Haar heller war, als seines. Alle Züge an
ihr, waren ihm sehr vertraut. Neugierig flog er noch näher an das
Fenster heran und landete schließlich sanft auf dem Balkon. Er
presste sein eines Ohr ganz dicht an das Fenster und da hörte er
ihre Stimme. Diese Stimme kam ihm so bekannt und vertraut vor, dass
er ins Grübeln kam. Und schließlich setzte sich Stück für Stück
das Puzzle in seinem Kopf zusammen. Das war die Stimme, die ihn Nacht
für Nacht in den Schlaf gesungen hatte - in all den vergangen
Monaten. Er hatte gedacht, es wären die Sterne gewesen, doch jetzt
erkannte er ihre Stimme wieder. Und jetzt wusste er auch, dass er
endlich angekommen war. Er war hier, um seine Bestimmung zu erfüllen.
Die
kleine Elfe schwebte noch immer neben ihm und er sah sie fragend an.
Sie versuchte ihm zu erklären, dass er sich noch mehrere Wochen
gedulden müsste, bis er tatsächlich nach Hause könne, doch er
wollte einfach nicht hören. Denn so ein lieber Junge er meist
war, so trotzig und stur konnte er auch sein. Und er wollte das alles
jetzt, wollte sofort seine Bestimmung erfüllen. Hier und heute. Die
Elfe sah schließlich ein, dass sie ihn nicht länger daran hindern
konnte und so streute sie ihren letzten Staub über ihn. Vor ihren
Augen löste sich Felix langsam in Luft auf und verschwand.
Dann
drehte sie sich um und flog zurück in den Himmel. Jedoch nicht, ohne
noch einmal zurückzuschauen und sich zu vergewissern, dass die Dinge
ihren Lauf nahmen. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie die Haustür
aufging und die junge Frau, die sie eben noch beobachtet hatten,
heraus kam. An ihrer Seite der Mann mit dem Bart.
Eilig machten sich
die beiden auf den Weg zu einem Auto und schließlich fuhren sie in ein
Krankenhaus. Wenige Minuten später kamen die beiden in einem Kreißsaal
an. Die junge Frau war schwanger und vor zwanzig Minuten hatten bei
ihr die Wehen eingesetzt.
Ganze
sechs Stunden später hielt sie endlich einen kleinen Jungen auf dem
Arm. Mit goldblondem Haar und smaragdgrünen Augen. Sie
strahlte über das ganze Gesicht und ihr Herz füllte sich mit Liebe
für dieses kleine Wesen, auf das sie so lang gewartet hatte.
Mittlerweile
war auch ihre restliche Familie im Krankenhaus angekommen und
schließlich drehte sich die junge Frau erschöpft zu ihrem Vater und
flüsterte leise: „Hast du seinen Papa angerufen, dass er kommen muss? Ich will, dass er Felix kennenlernt.“ Erneut
lächelte sie und langsam löste sich eine Träne aus ihrem
Augenwinkel: „ Ist er nicht ein Engel?“.
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Ich schrieb die Geschichte damals, um sie meinem Sohn jedes Jahr zu
Weihnachten vorzulesen, um eine neue und ganz eigene Tradition zu schaffen, doch leider habe ich das nur an dem einen Weihnachten vor seiner Geburt geschafft. Danach geriet sie in Vergessenheit. Bis heute. Morgen wird er sie zum ersten Mal hören, wo er schon auf der Welt ist und ich bin wahnsinnig gespannt, wie er reagieren wird.
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